Wohnen, Arbeiten und Kultur ESP Bahnhof-Rosenau-Scherzligen

Hintergrund von Alice Kropf, Vizepräsidentin SP Thun und Stadträtin

In Stadtentwicklungen besteht die Tendenz, dass Planungsämter die Bereiche Wohnen, Arbeiten und Kultur voneinander trennen, um damit Konflikten vorzubeugen. Wenn Nutzungen von Stadtteilen in der Planung geclustert werden (Cluster Arbeiten, Cluster Kultur, Cluster Wohnen, aber z.B. auch Cluster Sport), besteht die Gefahr von „toten“ Quartieren, wie uns das überbaute Selve-Areal vor Augen führt.

Im Areal Bahnhof, Rosenau Scherzligen beabsichtigt die Stadt die Voraussetzungen für urbanes und hochwertiges, sowie Wohnen für Familien zu schaffen (Wohnstrategie 2030). Gleichzeitig soll am Standort auch Arbeiten ermöglicht werden. Aus sozialdemokratischer Sicht braucht es eine Planung, die einer sozialen Segregation und Gentrifizierung entgegenwirkt.

In Bereichen der Innenstadt, besonders in den Hauptgassen und auf dem Mühleplatz, hat sich in den letzten Jahren ein lebendiges und trotzdem konkfliktberuhigtes Neben-, teilweise sogar ein konstruktives Miteinander, der Interessen von Kultur, Wohnen und Arbeiten entwickelt. Dank mehreren Dialoggefässen in der Form von „Runden Tischen“ mit den verschiedenen Ansprechpartner*innen konnten Lösungen gefunden werden, die für alle mehr oder weniger tragbar und akzeptiert sind. Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen und richtet sich nach den verschiedenen, sich laufend ändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen und Trends.

Wie stellst du dir ein lebendiges Areal Rosenau Scherzligen vor, in dem Wohnen, Arbeiten und Kultur Platz haben und ein konstruktives Miteinander möglich ist? 

Antworten der SP Mitglieder:

Hier soll eine möglichst grosse und vielfältige Durchmischung Wohnen, Arbeiten und Kultur ermöglicht werden. Keine Wohnungen für sogenannt "gute Steuerzahler", viel mehr sollen Wohnungen entstehen auch für Familien mit tieferen Einkommen. Beim Arbeiten stelle ich mir Handwerker*innenbetriebe, Restaurants und einen selbstverwalteten Kulturraum für Junge und Aeltere vor (wie AKuT)

Ein mit der Schadau zusammenhängend öffentliches Areal für Fussgänger (am Wasser), Radfahrer, Bus- und evtl. Langsamverkehr. Ansprechende + günstige Wohn-, Arbeits- und Kulturräume entlang der Verkehrslinie verdichtet.

Im Thema ist die Antwort eigentlich schon vorhanden. Es ist wichtig, dass es keine Ausschliesslichkeit eines Themenbereichs gibt sondern ein Miteinander von verschiedenen Angeboten. Wohnen, Arbeit Kultur für Junge und Alte!

Gute Durchmischung, bestehende Baustrukturen soweit möglich und sinnvoll erhalten, keine Luxuswohnungen, allenfalls eine Kultur- bzw. Ausgehmeile.

die konflikte arbeiten-wohnen werden überbewertet. auch wenn es in thun arbeitszonen gibt, sind diese trotzdem oft mit wohnbauten durch zogen, weil diese schon da waren als die stadt in zonen aufgeteilt wurde. die problem halten sich aber in grenzen, dies auch weil arbeiten heut nicht mehr so laut und so schmutzig ist wie früher. die verschmutzung und der lärm halten sich heute in der arbeitszone in engen grenzen. desswegen sehe ich keine probleme arbeiten und wohnen zu mischen. das ist heute gut möglich, wenn man es inteligent kombiniert und ist bereichernd für das quartier. auch die kombination arbeiten und kultur lassen sich problemlos kombinieren und sind oft sehr bereichernd. kultur, besonders die ausgeh-kultur am freitag und samstag abend, kann in kombination mit wohnen zu konflikten führen. aber dass es nicht zu konflikten führt ist eine geschickte anordnung nötig und dann ist auch dies kein problem. vom angebot her sind restaurants, caffees, KLEINE läden, KLEINE gewerbebetriebe und dienstleister, aber auch schule/kindergarten und ein grosser wohnungsmix mit neuen wohnformen, aus meiner sicht wichtig. das kleinteilige führt zu einer eigenen idendität des quartiers, sicher nicht mc donald, migros, aldi und co.

Zentral ist die Organisationsform: Es braucht Träger der Immobilien, die bereit sind, sich in den Dienst der Belebung des Areals zu stellen, bereit sind auszuprobieren, was funktioniert und was nicht - und dies längerfristig. Gleichzeitig sollten Partizipationsmöglichkeiten vorhanden sein für die Menschen, die dort arbieten, Kultur schaffen und wohnen.

Das Areal Rosenau-Scherzligen verbindet entlang dem Aarebecken die Verkehrsdrehscheibe und das urbane Zentrum Bahnhof Thun mit dem landschaftlich und kulturell bedeutsamen Schadau-Gebiet. Diese verbindende Funktion und die Lage am Wasser werden und müssen bei der künftigen Entwicklung prägend sein. Das Potenzial ist gross und somit auch die Chancen und Risiken. Diese Ausgangslage und die bestehenden Nutzungen schreien geradezu nach einem Entwicklungsprozess, wo anstelle von rein wertschöpfungsorientierten neuen baulichen Grossformen bestehende und neue Nutzungen nebeneinander existieren können. Ein lebendiges Quartier mit einem vielfältigen Nutzungsspektrum (Wohnen, Gewerbe, Kultur, Dienstleistungen) soll entstehen und sich etappenweise stets weiterentwickeln. Die Entwicklungsschritte werden auf der Basis von geeigneten Mitwirkungsformen (Allgemeinheit, Betroffene, Fachkompetenz) ausgestaltet und begleitet. Dank gezielter fachlicher und politischer Unterstützung sollen sich auch genossenschaftliche Formen von Trägerschaften – nicht nur für Wohnen – etablieren können. Die Verkehrswege und –Anlagen werden prioritär auf den LV und ÖV ausgerichtet konzipiert und gestaltet, MiV-Durchgangsverkehr wird unterbunden.

Begrünte Hochhäuser, öffentlich nutzbare Gärten ( cf Aerdele Verein), Genossenschafttliche Beiz/ Gartenbeiz, Kunst am Bau

Ich wünsche mir, dass das Akut bleibt, dass es Möglichkeiten gibt, alte Gebäude mit neuen zu verbinden. Ich finde es wichtig, dass nicht alles voll gestylt ist wie zum Beispiel in der Selve. Es muss genügend Raum bleiben damit Kunst (z.B. Bildhauerei, Musikateliers, Büros zum Teilen) und Lokale und auch Wohnungen für alle Menschen aus allen Schichten) Platz haben.

Das Gebiet Rosenau Scherzligen soll die Vielfalt bewahren, die dort schon heute ist: von Ludothek, Arbeiten, Akut, Post, Co-Working, Brockenstube, Tanzstudio über Arbeiten und neu hin zu Wohnen. Nicht abreissen und neu bauen, sondern ergänzen. Räumlichkeiten mit günstigen Mieten sollen erhalten bleiben und energetisch sinnvoll saniert werden. Den Abbruch und Wegzug von Kanderkies werde ich ein bisschen bedauern, weil dies eines der letzten sichtbaren Zeugnisse von Industrie in der Stadt ist. Andererseits finde ich das Gebiet sehr geeignet für Wohnraum (nach SP-Vorstellung) und Ort der Begegnung im öffentlichen Raum.

Hochwertigem Wohnen entgegenwirken - die kommen schon genug von alleine. Wenn wohnen, dann erschwinglich. Quartierkern mit Fussgängerzone, unbedingt Langsamverkehr fördern - keine Transitzone. Kleinen bis mittleren Betrieben Zugang ermöglichen. Kulturelle, Musik und Sportvereine miteinbeziehen, zentrale Lage ist sehr wertvoll. Möglich als verlängerter Arm des Innenstadtlebens, nur ohne die hipen und mehrheitlich kommerziellen Interessen. Genug Platz für Grünzeug, Quartierplatz (wichtig für Quartiergeist) und Chillerecken.

Grundvoraussetzung ist, dass alle, die in diesem Gebiet wohnen möchten, sich bewusst sind, dass auf dem Areal eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Kultur der Alltag ist. Es gibt sicher auch Menschen, die diese Art Wohnen gezielt suchen. Kultur heisst für mich nicht zwingend viel Lärm bis in die Morgenstunden. Hier gibt es sehr viele Angebote/Möglichkeiten, die vielleicht nur tagsüber angeboten werden, die im kleinen und eher ruhigen Rahmen laufen. Sehr wichtig sind regelmässige Angebote für alle im Areal tätigen, wohnenden Menschen zum Austauschen, Aushandeln von Anpassungen. Ein für alle passendes Gleichgewicht der Mischform zu finden ist eine wichtige Zielsetzung. "Akzeptable" Lösungen sind für mich zu wenig stark. Es sollen sich alle wohl fühlen können, dürfen. Die Fähigkeit Kompromisse eingehen zu können, ist für mich Bedingung von allen in diesem Areal wohnenden, arbeitenden, Kultur anbietenden Menschen.

Damit konstruktives Miteinander überhaupt zum Tragen kommt, braucht es eine soziale Durchmischung. Damit diese gelingt, muss Gentrifizierung verhindert werden. Mögliche Massnahmen: - Gemeinnütziger Wohnungsbau, wo zur Kostenmiete gewohnt wird - eine aktive Bodenpolitik der Stadt, die Stadt soll also möglichst viele Immobilien kaufen, u.a. um sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen - die Kostenstruktur der Neubauten muss so sein, dass verschiedene Nutzungen im Kultur- und Arbeitsbereich auch wirklich möglich sind. Selbstverständlich sollen alte Bauten erhalten werden, dort wo sinnvoll. - die Arbeits- und Kulturnutzungen sollen auch "laut" sein dürfen. - es braucht Bereiche im neuen Areal, wo sich Subkulturen heimisch fühlen und sich ausleben können (Sprayen, Tagen, sich treffen ohne Konsumzwang oder einfach nur "Rumhängen"). Es darf nicht alles rein, sauber und durchgestylt sein, es braucht auch "heruntergekommene Ecken", denn diese gehören auch zur Urbanität.

Verkehrsberuhigt. Mit Begegnungszentren, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Dabei darf das Areal nicht als Insel erscheinen. Es muss für Alle jederzeit erreichbar sein. Dies gilt vor allem für den Langsamverkehr und den ÖV. Für den motorisierten Individualverkehr könnte ich mir gewisse Einschränkungen vorstellen.